Vorhergehendes Kapitel: 6.2 Vipassana - Meditation
6.3 Beispiele für physiologische und biochemische Auswirkungen der Meditation:
Die Vorgänge, die sich bei der Konditionierung auf zellulärer Ebene abspielen, sind oben beschrieben worden. Auch für die beobachteten psychischen Veränderungen durch die Meditation findet man physiologische Entsprechungen. Man kann hierfür auf zahlreiche Untersuchungen an Ausübenden der Transzendentalen Meditation zurückgreifen, die - zumindest was die innere Ruhe anbelangt – zu vergleichbaren psychischen Ergebnissen kommen wie die Vipassana – Meditierenden (zitiert nach Lit. 10):
- In einer Studie an 14 Meditierenden und 16 Kontrollpersonen wurde eine raschere physiologische Habituation der GSR (Galvanischen Hautreaktion) auf unregelmäßig dargebotene Stress-Stimuli, geringere Zahl multipler GSR pro Reiz sowie eine geringere Anzahl spontaner Hautwiderstandsschwankungen für Meditierende festgestellt. Dies wurde als Zeichen erhöhter Effizienz neurologischer Informationsverarbeitung und größerer physiologischer Stress - Stabilität gedeutet.
- Streß setzt die Hormone CRF (corticotrophin releasing factor) und AVP (arginine vasopressin) aus spezialisierten Nervenzellen tief im Gehirn frei. Diese Hormone veranlassen die Freisetzung von Stresshormonen (Glucocorticoide), die den Körper auf Verteidigung vorbereiten. An Ratten wurde herausgefunden, dass bei Wiederholungen eines „stressigen“ Reizes diese Zellen ihre Produktion von dem stärker wirkenden CRF auf das weniger aktivierend wirkende AVP umstellen und so die Reaktion auf Streß allmählich abnimmt (Habituation). Analog hierzu kann der Anstieg auf das im Schnitt Fünffache des Ursprungswertes der AVP-Sekretion während der Praxis Langzeitmeditierender als abgeschwächte Reaktion auf Stress interpretiert werden.
- Es wurden verschiedene hormonelle Änderungen wie reduzierte Cortisolspiegel in Plasma und Urin,verminderte TSH-Werte sowie erhöhte Dehydroepiandrosteron-Sulfat-Werte (DHEA, DHS) vor allem bei Langzeitmeditierenden gemessen. Sie werden von den Autoren als größere physiologische Stress-Stabilität (Cortisol- und TSH-Reduktion) und Verlangsamung des altersbezogenen Absinkens der DHEA/DHS-Sekretion in der Nebennierenrinde interpretiert, da die DHS-Werte etwa denen 5-10 Jahre jüngerer Nicht-Meditierender entsprachen.
In einem Übersichtsartikel zum Thema Meditation (Lit. 11) werden zahlreiche Studien zu physiologischen Effekten der Meditation aufgeführt. Er fasst die Ergebnisse so zusammen, dass bei Meditationsanfängern die physiologischen Reaktionen denen bei körperlicher Entspannung entsprechen. Bei erfahrenen Meditierenden (nach 12 – 18 Monaten) ergeben sich anhaltendere hormonelle und Stoffwechselveränderungen.
Die positiven Auswirkungen von Achtsamkeitsmeditation auf die Gesundheit sind auch an deutschen Patienten mit chronischen körperlichen, psychischen oder psychosomatischen Beschwerden nachgewiesen worden (Lit. 12). Die Effekte wurden mit standardisierten Instrumenten bestimmt. Es fanden sich mittlere bis große Effekte bei der Reduktion von psychischem Stress und eine Steigerung des Wohlbefindens und der Lebensqualität. Außerdem erwies sich die körperorientierte Herangehensweise als positive Ergänzung zu Psychotherapien.
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